Neuigkeiten zu rechtlichen Themen

Belegeinsicht statt Kopieversand: Entfernung zwischen früherer Mietwohnung und Vermieter entscheidet - nicht neuer Wohnort

Raus aus den alten Räumen, rein in die neuen! Selten läuft das reibungslos und ohne Stress. Gern lässt sich der Vermieter Zeit mit der Rückzahlung der Kaution oder zieht einen Betrag ab - so auch hier. Dabei musste das Landgericht Hanau (LG) entschieden, wann es einem Exmieter nicht mehr zumutbar sei, entsprechende Belege vor Ort einzusehen, um die nachträgliche Betriebskostenabrechnung zu überprüfen.

Raus aus den alten Räumen, rein in die neuen! Selten läuft das reibungslos und ohne Stress. Gern lässt sich der Vermieter Zeit mit der Rückzahlung der Kaution oder zieht einen Betrag ab - so auch hier. Dabei musste das Landgericht Hanau (LG) entschieden, wann es einem Exmieter nicht mehr zumutbar sei, entsprechende Belege vor Ort einzusehen, um die nachträgliche Betriebskostenabrechnung zu überprüfen.

Ein ehemaliger Mieter verlangte nach dem Auszug seine Kaution zurück. Der Vermieter erstellte daraufhin noch eine Betriebskostenabrechnung und zog eine Nachzahlung von der Kaution ab. Sein ehemaliger Mieter wohnte inzwischen über 120&c;km entfernt und forderte die postalische Übersendung der Belege per Post. Da er keine Kopien bekam, klagte er auf Auszahlung der gesamten Kaution. Er meinte, der Weg zum Vermieter sei ihm nicht zuzumuten.

Die Klage blieb aber erfolglos - sowohl vor dem Amtsgericht als auch in der Berufung beim LG. Nach Auffassung des Gerichts durfte der Vermieter auf eine Einsichtnahme vor Ort bestehen. Es gebe keinen Anspruch auf Zusendung von Belegkopien, wenn der Mieter einfach nur weiter weg gezogen sei. Entscheidend sei, ob die Einsicht beim Vermieter vom Ort der früheren Mietwohnung aus zumutbar sei. Das war hier der Fall: Die Mietwohnung lag in Frankfurt, der Vermieter in Hanau - eine Entfernung, die laut Gericht gut erreichbar war. Dass der Mieter nun weiter weg wohne, sei seinem eigenen Risiko zuzuschreiben. Zudem habe er die Belege überhaupt nicht eingesehen und seine Einwände gegen die Abrechnung nicht konkret begründet. Damit habe er seine Pflicht zur Belegprüfung nicht erfüllt. Ein wirksames Einsichtnahmeverlangen habe nicht vorgelegen.

Hinweis: Wer Betriebskosten anzweifelt, muss die Belege beim Vermieter einsehen - wenn das vom früheren Wohnort aus zumutbar war. Ein bloßer Wunsch nach Zusendung reicht nicht aus. Wer wegzieht, trägt die Folgen diesbezüglich selbst.


Quelle: LG Hanau, Urt. v. 24.03.2025 - 2 S 43/24
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Haft und Schadensersatz: Kein Verjährungsschutz bei vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträgen

Das Landgericht Lübeck (LG) musste sich mit der Frage beschäftigen, ob sich ein ehemaliger Geschäftsführer auf Verjährung berufen kann, wenn er Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt hat. Es ging um eine gesetzliche Krankenkasse, die Schadensersatz verlangte, den die Deutsche Rentenversicherung (DRV) für sie geltend machte. Dass der Mann für seine 41fache Veruntreuung der Sozialleistungen sogar ins Gefängnis musste, half ihm bei der Nachforderung nichts.

Das Landgericht Lübeck (LG) musste sich mit der Frage beschäftigen, ob sich ein ehemaliger Geschäftsführer auf Verjährung berufen kann, wenn er Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt hat. Es ging um eine gesetzliche Krankenkasse, die Schadensersatz verlangte, den die Deutsche Rentenversicherung (DRV) für sie geltend machte. Dass der Mann für seine 41fache Veruntreuung der Sozialleistungen sogar ins Gefängnis musste, half ihm bei der Nachforderung nichts.

Der Geschäftsführer einer GmbH hatte zwischen 2016 und 2018 mehrere Beschäftigte nicht zur Sozialversicherung gemeldet und dadurch einige fällige Beiträge eingespart. Nachdem das Hauptzollamt den Missstand entdeckt hatte, übernahm die DRV daraufhin die Prüfung. Die DRV stellte im Januar 2020 schließlich fest, wie viele Beiträge fehlten. Im Insolvenzverfahren der GmbH erhielt die Krankenkasse jedoch nur einen geringen Anteil, weshalb sie im September 2022 vom Geschäftsführer persönlich knapp 187.000 EUR Schadensersatz für das Jahr 2016 einforderte. Dieser meinte hingegen, die Forderung sei verjährt. Die Klage sei nicht rechtzeitig zugestellt worden, unter der angegebenen Adresse habe er zudem nicht gewohnt.

Das LG sah das anders. Die dreijährige Verjährungsfrist habe erst Ende 2019 zu laufen begonnen - für einen Schaden, der aufgrund der unterbliebenen Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen im Jahr 2016 entstanden war. Hiervon hatte die DRV 2019 Kenntnis erlangt - und eben dies sei entscheidend, nicht etwa die Kenntnisnahme der Krankenkasse. Auch sei die Klage "demnächst" im Sinne des Gesetzes zugestellt worden - die Verzögerung durch die falsche Adresse sei der Klägerin nicht anzulasten. Zudem habe die Klägerin rechtzeitig Gerichtskosten gezahlt und das Verfahren nach der strafrechtlichen Verurteilung des Geschäftsführers - er wurde 2023 wegen Vorenthaltens und Veruntreuung von Sozialversicherungsbeiträgen in 41 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt - wieder aufgenommen. Die Verjährung sei dadurch rechtzeitig gehemmt worden.

Hinweis: Wenn Arbeitgeber Beiträge zur Sozialversicherung nicht abführen, kann das teuer werden - auch noch Jahre später. Entscheidend für die Verjährung ist die Kenntnis der Rentenversicherung, nicht der Krankenkasse. Wer hofft, sich durch Formfehler der Haftung zu entziehen, hat schlechte Karten.


Quelle: LG Lübeck, Urt. v. 25.04.2025 - 10 O 255/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 08/2025)

Kabelanschluss trotz Kosten: Wohnungseigentümergemeinschaft darf Sammelvertrag abschließen

Jeder Haushalt hatte es mitbekommen: Am 30.06.2024 fiel das Nebenkostenprivileg, das es Vermietern erlaubte, die Kosten für einen Kabelanschluss auch ohne individuelle Zustimmung der Mieter über die Betriebskosten abzurechnen. Das Amtsgericht Hamburg (AG) hatte sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) auch nach dem Wegfall einen Sammelvertrag für Kabelfernsehen be- und abschließen durfte.

Jeder Haushalt hatte es mitbekommen: Am 30.06.2024 fiel das Nebenkostenprivileg, das es Vermietern erlaubte, die Kosten für einen Kabelanschluss auch ohne individuelle Zustimmung der Mieter über die Betriebskosten abzurechnen. Das Amtsgericht Hamburg (AG) hatte sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) auch nach dem Wegfall einen Sammelvertrag für Kabelfernsehen be- und abschließen durfte.

Die WEG hatte beschlossen, ab Juli 2024 einen neuen Vertrag mit einem Kabelanbieter abzuschließen, für den jeder Eigentümer monatlich 2,26 EUR zahlen sollte, wogegen der leistungsidentische Einzelvertrag 4,90 EUR im Monat gekostet hätte. Ein Eigentümer klagte dennoch gegen den Beschluss. Denn er vermietete seine Wohnung und konnte die Kabelkosten wegen der neuen Gesetzeslage nun ja nicht mehr auf seine Mieter umlegen. Deshalb wollte er die Kosten nicht tragen. Er meinte, der Beschluss sei nur im Interesse der selbstnutzenden Eigentümer getroffen worden und benachteilige alle, die kein Kabelfernsehen wollten oder nicht nutzen könnten.

Das AG sah das anders und bewertete den Beschluss der WEG als rechtmäßig. Die Eigentümer durften gemeinsam entscheiden, wie das Gemeinschaftseigentum verwaltet wird. Auch, wenn nicht alle Eigentümer vom Kabelanschluss profitieren, entsprach der Vertrag einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Die Mehrheit hatte sich für eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung entschieden, bei der der monatliche Preis pro Wohnung deutlich niedriger war als bei Einzelverträgen. Die Belastung der Eigentümer, die den Anschluss nicht nutzen wollten, sei dabei gering. Es spiele auch keine Rolle, dass vermietende Eigentümer die Kosten nicht mehr automatisch auf Mieter umlegen könnten. Denn durch die Sammellösung wurde die Gemeinschaft insgesamt entlastet, was im Interesse aller lag.

Hinweis: WEG dürfen auch dann gemeinsam Kabelverträge abschließen, wenn einzelne Mitglieder davon nicht direkt profitieren. Die Mehrheit entscheidet - solange die Lösung fair und sinnvoll ist.


Quelle: AG Hamburg, Urt. v. 17.01.2025 - 980b C 24/24 WEG
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Kein Schmerzensgeld: Auf Friedhöfen muss mit Unebenheiten und kleinen Stolperfallen gerechnet werden

Man pflanzt, zupft und gießt und plötzlich liegt man darnieder? Auf einem Friedhof gut möglich, wenn man nicht auf die naturgemäßen Unebenheiten achtet, die eine solche Ruhestätte nun einmal mit sich bringt. Das Landgericht Köln (LG) musste kürzlich entschieden, ob eine alte Dame nach ihrem Sturz auf einem Friedhof in Bergisch Gladbach dennoch einen berechtigten Anspruch auf Schmerzensgeld hat.

Man pflanzt, zupft und gießt und plötzlich liegt man darnieder? Auf einem Friedhof gut möglich, wenn man nicht auf die naturgemäßen Unebenheiten achtet, die eine solche Ruhestätte nun einmal mit sich bringt. Das Landgericht Köln (LG) musste kürzlich entschieden, ob eine alte Dame nach ihrem Sturz auf einem Friedhof in Bergisch Gladbach dennoch einen berechtigten Anspruch auf Schmerzensgeld hat.

Die 79-Jährige war im Mai 2023 auf einem Friedhof vor einer Grabstelle gestürzt und hatte sich dabei den Oberschenkel gebrochen. Sie meinte, dass ein Betonsockel und Wurzeln durch Regen freigespült worden seien und dadurch eine gefährliche Stolperfalle entstanden sei. Diese Stelle habe sie nicht erkennen können. Die Stadt habe somit ihre Pflicht verletzt, für sichere Wege zu sorgen. Deshalb forderte die Frau 3.300 EUR Schmerzensgeld und klagte. Die Stadt sah das anders: Die Unebenheiten seien durchaus sichtbar gewesen, die Wurzeln hätten maximal eineinhalb Zentimeter aus dem Boden geragt, und auf einem Friedhof hätte die Frau mit derlei Stellen rechnen müssen. Außerdem sei der Unfall nicht auf einem Hauptweg passiert, sondern direkt an der Grabstelle.

Das LG schloss sich dieser Auffassung an und wies die Klage ab. Nach Ansicht des Gerichts hatte die Stadt keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Denn Fotos zeigten, dass die Stelle nicht gefährlich gewesen sei. Selbst auf normalen Gehwegen müsse man kleinere Höhenunterschiede von bis zu zwei Zentimetern hinnehmen - erst recht gelte das auf einem Friedhof. Dort müsse man mit Wurzeln, Bodenunebenheiten oder anderen natürlichen Hindernissen rechnen. Außerdem befand sich die Frau nicht auf einem Weg, sondern an einer Grabstelle. Wer sich dort bewege, müsse besonders aufmerksam sein.

Hinweis: Wer sich auf einem Friedhof bewegt, muss mit kleineren Unebenheiten rechnen. Eine Stadt muss nicht jede Wurzel oder jeden Sockel absichern. Nur bei klar gefährlichen Stellen besteht eine Pflicht, diese zu beseitigen oder zumindest zu kennzeichnen.


Quelle: LG Köln, Urt. v. 14.01.2025 - 5 O 245/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 08/2025)

Nicht schwerwiegend genug: Verweigerung von Wohnungsbesichtigung reicht nicht für eine Kündigung

Auch bei weniger liebsamen Mietern darf es nicht so leicht sein, ihnen zu kündigen, wie es sich diese Vermieterin  machen wollte. Das Landgericht München I (LG) hatte sich mit der Frage beschäftigt, ob die Weigerung zu einer Wohnungsbesichtigung einer 84-jährigen Mieterin, die seit Jahrzehnten in ihrer Wohnung lebte, ein triftiger Grund sein kann, ihr den Wohnraum zu kündigen.

Auch bei weniger liebsamen Mietern darf es nicht so leicht sein, ihnen zu kündigen, wie es sich diese Vermieterin  machen wollte. Das Landgericht München I (LG) hatte sich mit der Frage beschäftigt, ob die Weigerung zu einer Wohnungsbesichtigung einer 84-jährigen Mieterin, die seit Jahrzehnten in ihrer Wohnung lebte, ein triftiger Grund sein kann, ihr den Wohnraum zu kündigen.

Eine Frau hatte sich bei ihrer Hausverwaltung beschwert, aus der Wohnung der Nachbarin dringe unangenehmer Geruch. Vor allem aber beklagte sie sich über das Verhalten des Sohns der Nachbarin im Treppenhaus. Die Vermieterin wollte daraufhin die Wohnung besichtigen und schlug mehrfach Termine vor. Die Mieterin schickte die Briefe aber jeweils ungeöffnet zurück und reagierte nicht weiter. Daraufhin kündigte ihr die Vermieterin fristlos, hilfsweise ordentlich. Die Mieterin widersprach der Kündigung. Das Amtsgericht gab zunächst der Vermieterin recht und verurteilte die Mieterin zur Räumung.

In der Berufung hob das LG dieses Urteil aber auf und wies die Klage ab. Das Gericht sah in dem Verhalten der Mieterin keinen ausreichenden Grund für eine Kündigung. Es habe lediglich eine einzelne Beschwerde gegeben, selbst der Hausmeister hatte keine besonderen Auffälligkeiten festgestellt. Der Hinweis auf Gerüche reiche dem Gericht nicht aus, weil diese stark von der Wahrnehmung einzelner Personen abhängen. Auch wenn ein Vermieter grundsätzlich ein Recht auf Wohnungsbesichtigung haben kann, müsse der Anlass dafür konkret und nachvollziehbar sein. Eine pauschale Vermutung genüge nicht. Außerdem dürfe die Verweigerung der Besichtigung nur dann zur Kündigung führen, wenn sie schwer wiegt - das war hier nicht der Fall.

Hinweis: Auch bei Streit über Besichtigungen darf ein Vermieter nicht vorschnell kündigen. Entscheidend sind die Umstände im Einzelfall. Nicht jede Verweigerung reicht als Kündigungsgrund aus.


Quelle: LG München I, Urt. v. 07.02.2025 - 14 S 10625/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Ungültige AGB-Klausel: Trotz "Fund" und Rückgabe von 600.000 EUR geht Entrümpelungsfirma leer aus

So mancher Geschäftszweig bringt es mit sich, des Öfteren mit vollen Händen ins Glück zu fassen. In diesem Fall meldete eine Entrümpelungsfirma Anspruch auf einen Teil von über 600.000 EUR Bargeld an, das sie bei einer Wohnungsauflösung gefunden hatte - und zwar 100.000 EUR. Ob dieser stolze Betrag als Finderlohn oder mit Verweis auf eine Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu Recht eingefordert wurde, musste das Landgericht Köln (LG) bewerten.

So mancher Geschäftszweig bringt es mit sich, des Öfteren mit vollen Händen ins Glück zu fassen. In diesem Fall meldete eine Entrümpelungsfirma Anspruch auf einen Teil von über 600.000 EUR Bargeld an, das sie bei einer Wohnungsauflösung gefunden hatte - und zwar 100.000 EUR. Ob dieser stolze Betrag als Finderlohn oder mit Verweis auf eine Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu Recht eingefordert wurde, musste das Landgericht Köln (LG) bewerten.

Die Firma aus Bayern hatte die Wohnung einer Frau aufgeräumt, die nach Köln umziehen wollte. In der Wohnung fand das Team in Windelpackungen und anderen Verstecken Bargeld, Schmuck und Münzen. Insgesamt ging es um Werte im sechsstelligen Bereich. Laut AGB der Firma sollten alle Gegenstände in der Wohnung automatisch in ihr Eigentum übergehen, sobald die Arbeit beginnt. Die Firma gab das gefundene Geld aber auf Wunsch des Betreuers der Auftraggeberin an dessen Kollegin heraus. Später verlangte das Unternehmen dann doch noch Geld dafür - als Bezahlung oder wenigstens als Finderlohn.

Das LG sah für diesen Anspruch allerdings keine rechtliche Grundlage. Die Klausel in den AGB war schlichtweg unwirksam, da sie die Auftraggeberin unangemessen benachteiligt hatte. Niemand könne allein durch Vertragsklauseln einfach Eigentum an fremden Sachen erhalten. Das gelte besonders, wenn es um Wertgegenstände gehe, die an schwer zugänglichen Orten versteckt waren und bei einer normalen Wohnungsdurchsicht nicht auffallen konnten. Auch ein Finderlohn sei ausgeschlossen, weil das Geld nicht "verloren" gewesen sei. Die Wohnung und ihre Inhalte hätten weiterhin im dem Besitz der Auftraggeberin gestanden. Damit lag logischerweise auch kein Fund im rechtlichen Sinn vor.

Hinweis: Wertvolle Gegenstände in einer Wohnung gehören nicht automatisch der Entrümpelungsfirma. Wer sie findet, kann nicht ohne weiteres Eigentum oder Finderlohn verlangen. Ein klarer Vertrag oder eine besondere Vereinbarung wären nötig gewesen.


Quelle: LG Köln, Urt. v. 08.05.2025 - 15 O 56/25
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 08/2025)

Unsichere Anlage empfohlen: Bank vermittelt Kundin falschen Eindruck zur Verlässlichkeit von Immobilienfonds

Geldanlagen werden durch die digitalen Angebote nicht unbedingt einfacher. Da ist es gut, einen versierten Berater an seiner Seite zu wissen. Oder etwa nicht? Das Landgericht Stuttgart (LG) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Bank bei der Empfehlung eines offenen Immobilienfonds ihre Beratungspflicht verletzt habe. Im Mittelpunkt stand die Beratung einer unerfahrenen Anlegerin, die ihr Geld sicher anlegen wollte.

Geldanlagen werden durch die digitalen Angebote nicht unbedingt einfacher. Da ist es gut, einen versierten Berater an seiner Seite zu wissen. Oder etwa nicht? Das Landgericht Stuttgart (LG) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Bank bei der Empfehlung eines offenen Immobilienfonds ihre Beratungspflicht verletzt habe. Im Mittelpunkt stand die Beratung einer unerfahrenen Anlegerin, die ihr Geld sicher anlegen wollte.

Die Kundin hatte sich Anfang 2023 bei ihrer Bank beraten lassen, wie sie 20.000 EUR investieren solle. Sie wollte das Geld für mehr als fünf Jahre anlegen und erklärte, dass sie gewisse Risiken in Kauf nehmen würde. Die Bank entwickelte daraufhin eine Strategie mit vier Bausteinen: zwei Fonds, ein Zertifikat und ein Festgeld. Unter anderem empfahl die Bank zudem einen offenen Immobilienfonds - und genau hier sah das LG den Fehler. Die Kundin hatte keinerlei Erfahrung mit solchen Fonds. Die Bank hatte ihr jedoch den Eindruck vermittelt, dieser Fonds sei besonders sicher und könne als "sicherer Baustein" im Depot dienen - so wie ein Festgeld. Die Kundin kaufte daraufhin Anteile für 5.000 EUR. Später bemerkte sie, dass der Fonds keineswegs so sicher war, wie sie gedacht hatte. Sie fühlte sich falsch beraten und wollte ihr Geld zurück.

Das LG gab ihr Recht: Die Bank hätte deutlicher erklären müssen, dass ein offener Immobilienfonds kein Ersatz für ein Festgeld ist. Auch, wenn das Produkt als risikoarm eingestuft war, unterlag es dennoch Wertschwankungen. Das Risiko, dass sich der Wert verändert oder dass das Fondsmanagement Fehlentscheidungen trifft, gehörte dazu - das hätte die Bank der Kundin deutlich sagen müssen. Weil die Bank dies versäumt hatte, musste sie der Kundin das Geld erstatten. Einen zusätzlichen Anspruch auf entgangene Zinsen oder Gewinne gab es hingegen nicht, da nicht klar war, in welches andere Produkt die Kundin stattdessen investiert hätte.

Hinweis: Wer sich bei Geldanlagen unsicher ist, sollte vor dem Kauf unbedingt nachfragen, wie sicher ein Produkt wirklich ist. Auch vermeintlich "ruhige" Anlagen wie Immobilienfonds können im Wert schwanken. Banken müssen ehrlich beraten - besonders bei Kunden ohne Vorerfahrung.


Quelle: LG Stuttgart, Urt. v. 15.05.2025 - 12 O 287/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 08/2025)

Wer zahlt die Tür? Wer die Polizei in die eigene Wohnung ruft und dann nicht öffnet, haftet mit

Wer hat sich nicht schon einmal gefragt, was wäre, wenn sich die Polizei bei einem Einsatz irrt und plötzlich im eigenen Schlafzimmer steht? Was in vielen Filmen für Schmunzler sorgt, war im Folgenden weder Irrtum noch witzig. Das Landgericht Köln (LG) musste im hier behandelten Fall entschieden, ob Mieter für die Schäden an der Wohnungstür haften können, die sie durch ihr Verhalten und den damit verbundenen Polizeieinsatz mitverursacht haben.

Wer hat sich nicht schon einmal gefragt, was wäre, wenn sich die Polizei bei einem Einsatz irrt und plötzlich im eigenen Schlafzimmer steht? Was in vielen Filmen für Schmunzler sorgt, war im Folgenden weder Irrtum noch witzig. Das Landgericht Köln (LG) musste im hier behandelten Fall entschieden, ob Mieter für die Schäden an der Wohnungstür haften können, die sie durch ihr Verhalten und den damit verbundenen Polizeieinsatz mitverursacht haben.

Ein Bauträger hatte eine Wohnung an eine Käuferin verkauft, die sie dann weitervermietete. Eben jener Mieter wohnte dort mit seinem Ehemann, als es im Juni 2021 zu einem heftigen Streit in den vier Wänden kam. Der Mieter selbst rief die Polizei und sagte am Telefon, dass sein Partner die Wohnung "auseinandernehmen" würde. Als die Polizei schließlich vor Ort eintraf, vernahm sie Lärm, der auf Streit hinwies. Sie klopfte und rief lautstark und gab sich zu erkennen - aber niemand öffnete. Schließlich brach die Polizei die Wohnungstür auf, weil sie von einem Fall häuslicher Gewalt ausgehen musste. Die Tür und besonders die Türzarge wurden dabei so stark beschädigt, dass sich die Reparatur auf über 17.000 EUR belaufen sollte. Die Eigentümerin der Wohnung wollte diesen Betrag von den Mietern zurück.

Das LG sprach ihr einen Teil davon zu. Dabei hatten die beiden Männer, die sich zum Zeitpunkt des Vorfalls in der Wohnung aufhielten, aber noch Glück und mussten "nur" rund 2.135 EUR zahlen. Sie hatten den Polizeieinsatz und damit auch die Türöffnung durch ihr Verhalten schlichtweg mitverursacht. Dass sie die Tür nicht selbst zerstört hatten, spielte dabei keine Rolle. Entscheidend war vielmehr ihr Verhalten, das den Polizeieinsatz notwendig gemacht hatte. Die Beamten hörten den Streit schon beim Betreten des Hauses und hatten gewarnt, dass sie Gewalt anwenden würden, wenn niemand öffnet. Laut Gericht war die Türöffnung daher rechtmäßig.

Hinweis: Wer durch eigenes Verhalten einen Polizeieinsatz auslöst, kann für die dabei entstandenen Schäden haften - auch wenn die Polizei die Schäden verursacht. Das gilt besonders bei Gewalt oder eskalierenden Streits in der Wohnung.


Quelle: LG Köln, Urt. v. 08.04.2025 - 32 O 77/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 08/2025)

Als Garnihotel geplant: Vermieterin darf fristlose Kündigung nach ungenehmigter Flüchtlingsunterbringung aussprechen

Wer einen Beherbergungsbetrieb plant, sollte wissen, dass nicht jede Form, Obdach gegen Geld anzubieten, mit einem Hotelbetrieb vergleichbar ist. Ein Hotel hat beispielsweise unterschiedliche und meist schnell wechselnde Mieter. Das Oberlandesgericht Celle (OLG) musste nun entschieden, ob ein Vermieter den Mietvertrag fristlos kündigen darf, wenn sein Mieter ohne Absprache ein Hotel komplett zur Flüchtlingsunterbringung an eine Stadt überlässt.

Wer einen Beherbergungsbetrieb plant, sollte wissen, dass nicht jede Form, Obdach gegen Geld anzubieten, mit einem Hotelbetrieb vergleichbar ist. Ein Hotel hat beispielsweise unterschiedliche und meist schnell wechselnde Mieter. Das Oberlandesgericht Celle (OLG) musste nun entschieden, ob ein Vermieter den Mietvertrag fristlos kündigen darf, wenn sein Mieter ohne Absprache ein Hotel komplett zur Flüchtlingsunterbringung an eine Stadt überlässt.

Ein Hotelbetreiber hatte im Jahr 2008 Räume angemietet, um dort ein Garnihotel der gehobenen Mittelklasse zu eröffnen. Im Jahr 2022 schloss er dann aber mit der Stadt Hannover einen Vertrag, in dem er alle 79 Zimmer des Hotels für die Unterbringung ukrainischer Geflüchteter anbot. Die Stadt nutzte daraufhin das Hotel vollständig als Flüchtlingsunterkunft. Als die Vermieterin davon erfuhr, kündigte sie den Mietvertrag sofort und fristlos, klagte anschließend auf Räumung und verlangte Auskunft über die Einnahmen aus der Beherbergung.

Sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem OLG bekam die Vermieterin Recht. Das Gericht sah in der Komplettüberlassung der Räume an die Stadt einen schweren Vertragsverstoß. Der Mieter hätte die Räume nur als Hotel für normale Gäste nutzen und ohne Zustimmung des Vermieters nicht an Dritte weitergeben dürfen, insbesondere nicht vollständig an eine Kommune. Das OLG stellte dabei klar, dass ein Vermieter kündigen darf, wenn er durch das Verhalten des Mieters stark beeinträchtigt wird oder der Mieter die Räume ohne Erlaubnis jemand anderem überlässt. Auch müsse der Mieter nach der Kündigung Auskunft über seine Einnahmen geben. Ob der Mieter irrtümlich meinte, das Hotel so nutzen zu dürfen, spiele dabei keine Rolle.

Hinweis: Wer Gewerberäume anmietet, darf sie nicht einfach ohne Erlaubnis an Dritte weitergeben - selbst bei nachvollziehbaren Gründen. Sonst droht eine fristlose Kündigung. Das gilt auch dann, wenn die Räume für soziale Zwecke genutzt werden.


Quelle: OLG Celle, Urt. v. 17.04.2025 - 2 U 148/24
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Abfindung nach Jobverlust: Kein zusätzlicher Schonbetrag für Begleichung von Außenständen

Prozesskostenhilfe (PKH) soll es Menschen ohne eigene finanzielle Mittel ermöglichen, ihr Recht einzufordern und vor Gericht zu erstreiten. Da gerichtliche Erfolge oftmals auch Geldzahlungen zur Folge haben, bleibt dann die Frage, wie viel der Hilfe zurückerstattet werden muss. Das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) hat dies anhand einer Abfindung, die in einem Kündigungsschutzprozess eingeklagt wurde, vorgerechnet.

Prozesskostenhilfe (PKH) soll es Menschen ohne eigene finanzielle Mittel ermöglichen, ihr Recht einzufordern und vor Gericht zu erstreiten. Da gerichtliche Erfolge oftmals auch Geldzahlungen zur Folge haben, bleibt dann die Frage, wie viel der Hilfe zurückerstattet werden muss. Das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) hat dies anhand einer Abfindung, die in einem Kündigungsschutzprozess eingeklagt wurde, vorgerechnet.

Der Kläger war ledig, hatte ein Kind und bekam PKH für ein Kündigungsschutzverfahren, das im Februar 2023 begann. Das Verfahren endete mit einem Vergleich, mit dem der Kläger eine Abfindung von 20.000 EUR brutto erhielt. Das Arbeitsgericht bewertete den Streitwert auf über 27.000 EUR und setzte auf dieser Basis auch die Anwaltsvergütung fest. Später verlangte das Gericht vom Kläger Nachweise über die erhaltene Abfindung. Da der Kläger keine Unterlagen vorlegte, berechnete das Gericht überschlägig, dass er 10.500 EUR aus der Abfindung als Vermögen habe, von dem er 4.742 EUR für die Prozesskosten zahlen müsse. Der Kläger legte Beschwerde ein und gab an, die Abfindung bereits verbraucht zu haben, um Außenstände zu begleichen. Das Arbeitsgericht senkte daraufhin den zu begleichenden Betrag auf 4.340 EUR.

Das LAG bestätigte diese Entscheidung und wies die Beschwerde ab, erlaubte aber die Revision zum Bundesarbeitsgericht. Das Gericht entschied, dass von der Abfindung ein Schonvermögen von 10.000 EUR abgezogen werden müsse, was durch eine Verordnung zum Sozialgesetzbuch geregelt sei. Zusätzlich werde für das Kind ein weiterer Schonbetrag von 500 EUR berücksichtigt. Ein weiterer Freibetrag für typische Kosten, die durch den Jobverlust entstehen können - wie Bewerbungen, Fahrten oder Umzüge -, wird seit einer Gesetzesänderung Anfang 2023 nicht mehr gewährt. Frühere Gerichte hatten noch einen zusätzlichen Schonbetrag zuerkannt, da sie solche Kosten für üblich hielten. Doch durch die Erhöhung des Schonvermögens auf 10.000 EUR entfalle dieser zusätzliche Freibetrag. Damit bleibt ein großer Teil der Abfindung als Vermögen anzurechnen, der für Prozesskosten eingesetzt werden kann.

Hinweis: Bei PKH zählt eine Abfindung grundsätzlich als Vermögen. Das Gesetz schützt zwar einen bestimmten Freibetrag, aber selbst typische Kosten nach Jobverlust werden seit 2023 nicht mehr extra berücksichtigt. Wer eine Abfindung erhält, sollte daher vorsichtig sein, wie er sie verwendet.


Quelle: LAG Hamm, Beschl. v. 06.05.2025 - 13 Ta 344/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Anscheinsbeweis entkräftet: Nicht jeder Auffahrunfall ist allein dem Hintermann anzulasten

Der sogenannte Anscheinsbeweis bricht regelmäßig auftauchende Umstände und ihre entsprechenden Folgen quasi auf Erfahrungswerte herunter - sofern keine ungewöhnlichen Faktoren anderes nahelegen. Der Auffahrunfall ist dabei ein hervorragendes Beispiel für einen Klassiker vor den Verkehrsgerichten. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) klärt auf, welche Umstände eben diesen Anscheinsbeweis, der regelmäßig gegen den Auffahrenden spricht, entkräften können.

Der sogenannte Anscheinsbeweis bricht regelmäßig auftauchende Umstände und ihre entsprechenden Folgen quasi auf Erfahrungswerte herunter - sofern keine ungewöhnlichen Faktoren anderes nahelegen. Der Auffahrunfall ist dabei ein hervorragendes Beispiel für einen Klassiker vor den Verkehrsgerichten. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) klärt auf, welche Umstände eben diesen Anscheinsbeweis, der regelmäßig gegen den Auffahrenden spricht, entkräften können.

Der Fahrer eines bei der Klägerin vollkaskoversicherten Pkw befuhr zunächst die linke von drei Fahrspuren einer Bundesautobahn. Eine Baustelle verengte die Fahrbahn auf zwei Fahrspuren und der Fahrer begann, auf den mittleren Streifen zu wechseln. Wegen des dort starken Verkehrsaufkommens fuhr er jedoch wieder auf die linke Spur zurück, ebenso wie das vor ihm fahrende Fahrzeug. Dann bremste eben dieses bis zum Stillstand ab. Der hinter ihm Fahrende tat dann dasselbe. Der hinter ihm befindliche Beklagte schaffte dies nicht - die beiden kollidierten, er fuhr dem Vordermann auf. Der Schaden des Klägers belief sich auf knapp 60.000 EUR, den dessen Versicherung im Wege des Regresses nun geltend machte.

Das OLG hat der Klage stattgegeben - aber nur zu 50 %. Der grundsätzlich gegen den Auffahrenden geltende Anscheinsbeweis greife hier nicht. Sowohl die unklare Verkehrslage als auch der atypische Geschehensablauf standen dem Anscheinsbeweis entgegen. Zudem sprach gegen den Anscheinsbeweis, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Unfall einen bereits zur Hälfte vollzogenen Fahrstreifenwechsel unvermittelt abgebrochen hatte. Der Fahrer hatte selbst erklärt, das Beklagtenfahrzeug auf der linken Spur nicht gesehen zu haben. Dies spreche dagegen, dass er sich vorschriftsgemäß durch Rückschau über den rückwärtigen Verkehr auf der linken Spur versichert habe. Hinzu kommt, dass er vor dem Einscheren auf die linke Spur nicht geblinkt und somit für den nachfolgenden Verkehr den Abbruch des zunächst begonnenen Fahrstreifenwechsels auch nicht angezeigt hatte. Der zeitliche und örtliche Zusammenhang mit dem gescheiterten Fahrspurwechsel lag ersichtlich noch vor. Gegen sein alleiniges Verschulden sprach allerdings die unklare Verkehrslage im Hinblick auf das Enden der vom Beklagten benutzten Fahrspur sowie das starke Verkehrsaufkommen, bei dem auch mit dem abrupten Abbremsen vorausfahrender oder die Spur wechselnder Fahrzeuge jederzeit gerechnet werden müsse.

Hinweis: Der grundsätzlich gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis ist entkräftet, wenn das vorausfahrende Fahrzeug im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Unfall einen bereits zur Hälfte vollzogenen Fahrstreifenwechsel unvermittelt abbricht, wieder vor dem auffahrenden Fahrzeug einschert und dort sein Fahrzeug bis zum Stillstand abbremst.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29.04.2025 - 9 U 5/24
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Arbeitsvertrag mit Ligaklausel: Vereinsstempel als Ersatz für zweite Unterschrift erfüllt Schriftform nicht

Der alte Satz "Wer schreibt, der bleibt" bewahrheitet sich meist im Streitfall vor den Gerichten - so auch im Fall des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (LAG). Hier ging es um die Einhaltung der sogenannten Schriftform bei Arbeitsverträgen. Wie wichtig diese Einhaltung ist - vor allem bezüglich Sonderklauseln wie der Ligaklausel -, zeigt der Umstand, dass das Fehlen einer von zwei Unterschriften das schriftliche Gesamtwerk schnell zunichte machen kann.

Der alte Satz "Wer schreibt, der bleibt" bewahrheitet sich meist im Streitfall vor den Gerichten - so auch im Fall des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (LAG). Hier ging es um die Einhaltung der sogenannten Schriftform bei Arbeitsverträgen. Wie wichtig diese Einhaltung ist - vor allem bezüglich Sonderklauseln wie der Ligaklausel -, zeigt der Umstand, dass das Fehlen einer von zwei Unterschriften das schriftliche Gesamtwerk schnell zunichte machen kann.

Der Kläger war seit Juli 2022 Trainer der ersten Handballherrenmannschaft eines Bundesligisten. Er arbeitete bei einer GmbH, die den Spielbetrieb der Mannschaft organisierte. Sein Arbeitsvertrag enthielt eine Ligaklausel, die besagte, dass der auf vier Jahre befristete Vertrag nur für die erste Handballbundesliga gelte und bei Abstieg oder Lizenzverlust ende. Auf dem Vertrag gab es zwei Unterschriftsfelder für die beiden Geschäftsführer der GmbH, die jeweils einzeln vertretungsberechtigt sind. Unterschrieben wurde der Vertrag aber nur von einem Geschäftsführer; das zweite Unterschriftsfeld blieb leer. Neben der Unterschrift war ein Vereinsstempel gesetzt. Dann kam Pech dazu: In der Saison 2023/24 stieg die Mannschaft ab und die GmbH erklärte daraufhin die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2024 wegen der Ligaklausel. Der Trainer klagte dagegen.

Das Arbeitsgericht gab dem Trainer recht, und auch das LAG bestätigte diese Entscheidung. Das Gericht entschied, dass die Ligaklausel unwirksam war, weil sie nicht schriftlich im Sinne des Gesetzes vereinbart wurde. Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz muss eine solche Klausel klar und vollständig schriftlich fixiert sein. Das Formular mit zwei Unterschriftsfeldern deutete darauf hin, dass beide Geschäftsführer unterschreiben müssen. Die fehlende Unterschrift des zweiten Geschäftsführers ließ den Vertrag unvollständig erscheinen. Selbst der Umstand, dass die beiden Geschäftsführer jeweils auch einzeln vertretungsberechtigt waren, spielte hierbei keine Rolle - denn Schriftform und Vertretungsbefugnis sind getrennt voneinander zu betrachten. Es fehlte außerdem ein Hinweis darauf, dass der eine Geschäftsführer allein handeln wollte. Der Vereinsstempel neben der Unterschrift konnte den Mangel nicht ausgleichen. Deshalb hielt das Gericht den Vertrag mit der Ligaklausel für unwirksam. Das Arbeitsverhältnis endete nicht automatisch mit dem Abstieg.

Hinweis: Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen. Bei Arbeitsverträgen mit besonderen Klauseln muss die Schriftform strikt eingehalten werden. Fehlende Unterschriften können zur Unwirksamkeit führen. Eine Unterschrift allein reicht nicht immer aus, auch wenn mehrere Vertreter einzeln unterschreiben könnten.


Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 27.05.2025 - 3 SLa 614/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Eingeschränkte Individualmobilität: Verbot für erlaubnisfreie Fahrzeuge nach Trunkenheitsfahrt auf Mofa und Weigerung zur MPU

Wer wegen mehrfacher Alkoholfahrten keine Fahrerlaubnis mehr besitzt, sollte sich nicht verführen lassen, sein Verhalten auf Fahrzeugen fortzuführen, für die keine Erlaubnis vonnöten ist. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Saarlouis musste sich eines Alkoholsünders annehmen, der auch die anschließend verlangte medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) verweigerte - und zog den Mann nun buchstäblich aus dem (Straßen-)Verkehr.

Wer wegen mehrfacher Alkoholfahrten keine Fahrerlaubnis mehr besitzt, sollte sich nicht verführen lassen, sein Verhalten auf Fahrzeugen fortzuführen, für die keine Erlaubnis vonnöten ist. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Saarlouis musste sich eines Alkoholsünders annehmen, der auch die anschließend verlangte medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) verweigerte - und zog den Mann nun buchstäblich aus dem (Straßen-)Verkehr.

Der Kläger ist in der Vergangenheit mehrfach alkoholisiert im Straßenverkehr aufgefallen und nicht mehr im Besitz einer Fahrerlaubnis. Im Juli 2019 führte er ein Mofa - als entsprechend erlaubnisfreies Fahrzeug - bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,83 ‰, über das er genau deshalb auch die Kontrolle verlor. Daraufhin forderte die Fahrerlaubnisbehörde ihn auf, seine Fahreignung medizinisch-psychologisch begutachten zu lassen. Dem kam der Mann jedoch nicht nach. Infolgedessen untersagte die Behörde ihm das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr. In der Begründung seiner Klage verwies der Kläger darauf, dass die Rechtsgrundlage unwirksam sei, auf die sich diese Untersagung stütze (§ 3 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV)).

Der Verkehrssünder hatte vor dem OVG Saarlouis erwartungsgemäß keinen Erfolg. Da er es unterlassen habe, sich begutachten zu lassen, habe die Fahrerlaubnisbehörde darauf schließen dürfen, dass ihm die Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr selbst mit erlaubnisfreien Fahrzeugen fehle (§ 11 Abs. 8 FeV). Die Untersagungsverfügung stelle zwar einen schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Individualmobilität dar. Zudem sei angesichts der geringeren Masse und Höchstgeschwindigkeit erlaubnisfreier Fahrzeuge nicht von der Hand zu weisen, dass solche Fahrzeuge eine geringere Gefahrenquelle darstellten als erlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge. Die Gefahr, die von ungeeigneten Führern erlaubnisfreier Fahrzeuge ausgehe, sei aber erheblich genug, um die dem Kläger gegenüber ergangene Anordnung zu rechtfertigen, sich medizinisch-psychologisch begutachten zu lassen. Denn andere Verkehrsteilnehmer könnten sich und Dritte erheblich gefährden, wenn sie wegen der unvorhersehbaren Fahrweise eines unter erheblichem Alkoholeinfluss fahrenden Mofa- oder Radfahrers zu riskanten und folgenschweren Ausweichmanövern verleitet würden.

Hinweis: Die Fahrerlaubnisbehörde kann nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem erlaubnisfreien "Mofa" nach § 3 FeV ein Verbot aussprechen, mit erlaubnisfreien Fahrzeugen wie Fahrrädern oder E-Scootern am Straßenverkehr teilzunehmen. Andere Obergerichte sehen im Gegensatz zum OVG Saarlouis darin keine wirksame Grundlage, um das Fahren mit erlaubnisfreien Fahrzeuge zu verbieten (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urt. v. 17.04.2023 - 11 BV 22.1234, und OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 20.03.2024 - 10 A 10971/23).
 
 


Quelle: OVG Saarlouis, Urt. v. 23.05.2025 - 1 A 176/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Fehlendes Nachlassverzeichnis: Erbe muss trotz nachlässigem Notar Zwangsgeld selbst zahlen

Erben sind dazu verpflichtet, auf Verlangen ein notarielles Nachlassverzeichnis zu erstellen. Kommt der Erbe dieser gerichtlich festgestellten Verpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig nach, kann das Gericht Zwangsgeld oder Zwangshaft verhängen. Doch was ist, wenn der Notar trotz Nachhakens des Mandanten damit trödelt? Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) hatte darauf eine Antwort.

Erben sind dazu verpflichtet, auf Verlangen ein notarielles Nachlassverzeichnis zu erstellen. Kommt der Erbe dieser gerichtlich festgestellten Verpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig nach, kann das Gericht Zwangsgeld oder Zwangshaft verhängen. Doch was ist, wenn der Notar trotz Nachhakens des Mandanten damit trödelt? Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) hatte darauf eine Antwort.

Der zur Auskunft verpflichtete Erbe berief sich darauf, dass der von ihm beauftragte Notar aufgrund einer verzögerten Bearbeitung allein dafür verantwortlich sei, dass das notarielle Nachlassverzeichnis bislang nicht habe erstellt werden können. Er selbst habe zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses alles ihm Mögliche getan und zweimal schriftlich bei dem Notar den Sachstand erfragt. Eine Reaktion hierauf erfolgte durch den Notar nicht. Das Landgericht verhängte daraufhin ein Zwangsgeld gegen den Erben wegen nicht rechtzeitiger Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses - und genau hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde.

Das OLG begründete die Entscheidung zu Lasten des Erben damit, dass es nicht ausreichend sei, sich auf die Leistung des Notars zu verlassen. Der Erbe ist gehalten, aktiv Druck auszuüben, beispielsweise durch das Setzen einer Frist zur Fertigstellung des Nachlassverzeichnisses. Kommt der Notar dieser Verpflichtung innerhalb der Frist nicht nach, bestehe die Möglichkeit, eine sogenannte Untätigkeitsbeschwerde anzudrohen oder zu erheben. Insgesamt sei es jedenfalls erforderlich, dass der Erbe alle zumutbaren Schritte unternimmt, um das geforderte Verzeichnis zu beschaffen. Darüber hinaus wies das Gericht auch darauf hin, dass es nicht darauf ankomme, ob der Schuldner absichtlich oder schuldhaft gehandelt hat. Entscheidend sei allein, ob er alles in seiner Macht Stehende unternommen hat, die Auskunftspflicht zu erfüllen.

Hinweis: Für die Verhängung des Zwangsmittels kommt es darauf an, ob die Mitwirkungshandlung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts fehlt. Der Erbe hat daher zur Vermeidung von Zwangsmitteln die Möglichkeit, die fehlende Mitwirkungshandlung bis zum Erlass der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts nachzuholen.


Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 28.03.2025 - 3 W 21/25
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Gesamtumstände zählen: Gutgläubiger Erwerb eines Pkw in Betrugsfällen

Was Juristen mit "Kommt drauf an" meinen, wenn sie pauschal Bewertungen zu Rechtsfällen abgeben sollen, zeigt dieser Fall des Landgerichts Frankenthal (LG) hervorragend auf. Die Vorlage eines Fahrzeugbriefs gilt bei einem Autokauf normalerweise als Beweis, es mit dem Eigentümer zu tun zu haben. Doch auch die weiteren Umstände können dazu führen, einen Betrug erkennen und sich im Nachhinein nicht auf einen gutgläubigen Erwerb stützen zu können.

Was Juristen mit "Kommt drauf an" meinen, wenn sie pauschal Bewertungen zu Rechtsfällen abgeben sollen, zeigt dieser Fall des Landgerichts Frankenthal (LG) hervorragend auf. Die Vorlage eines Fahrzeugbriefs gilt bei einem Autokauf normalerweise als Beweis, es mit dem Eigentümer zu tun zu haben. Doch auch die weiteren Umstände können dazu führen, einen Betrug erkennen und sich im Nachhinein nicht auf einen gutgläubigen Erwerb stützen zu können.

Der Käufer hatte einen Pkw von einem Betrüger für mehr als 35.000 EUR erworben, doch die Freude währte nicht lang. Denn nur kurze Zeit nach dem Kauf beschlagnahmte die Polizei das Fahrzeug und gab es dem ursprünglichen Eigentümer zurück, der es anschließend für knapp 49.000 EUR weiterverkaufte. Der betrogene Käufer reklamierte nun den Kaufpreis; schließlich sei er trotz des Betrugs Eigentümer des Fahrzeugs geworden, nachdem er im Internet darauf gestoßen war und sich im Saarland zur Besichtigung verabredet hatte. Auf dem Weg dorthin habe er die Mitteilung erhalten, dass das Kind des Verkäufers einen Treppensturz erlitten habe und in einem Krankenhaus in Frankreich liege. Dorthin sei er nunmehr umgeleitet worden, wo der Kauf auf dem Parkplatz durch Barzahlung dann auch abgewickelt worden sei. Der Betrüger habe einen - vermeintlich - echten Fahrzeugbrief und einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Er habe deshalb daran glauben dürfen, dass das Fahrzeug diesem auch gehört habe.

Das LG hat die Klage des betrogenen Autokäufers abgewiesen. Er habe als Käufer trotz Vorlage des scheinbar echten Fahrzeugbriefs grob fahrlässig gehandelt und das Fahrzeug daher nicht gutgläubig erworben. Denn die Umstände des Verkaufs hätten beim Käufer Zweifel erregen müssen, ob er den wahren Eigentümer vor sich hatte. Der Verkäufer hatte einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, obwohl im Kaufvertrag als Wohnsitz "Frankenthal" angegeben und das Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen zugelassen war. Auffällig war ferner, dass der Verkäufer ursprünglich als Treffpunkt das vom angegebenen Wohnort abweichende Dillingen/Saar genannt habe. Typisch für unlautere Automobilgeschäfte dieser Art waren auch das Bargeschäft und die kurzfristige telefonische Verlegung des Verkaufsorts an einen fremden und noch dazu im Ausland befindlichen Ort. Nach alledem konnte der Käufer dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entgehen. Im Betrugsfall muss der Käufer das Fahrzeug dem wahren Eigentümer zurückgeben und bleibt folglich auf dem gezahlten Kaufpreis als Schaden sitzen.

Hinweis: Legt der Verkäufer beim Gebrauchtwagenkauf den Fahrzeugbrief vor, kann sich der Käufer normalerweise darauf verlassen, dass er es auch tatsächlich mit dem Eigentümer und nicht mit einem Betrüger zu tun hat. Der Käufer eines Gebrauchtwagens handelt trotz Vorlage eines Fahrzeugbriefs aber dann grob fahrlässig, wenn die Umstände Zweifel an der Eigentümerstellung des Verkäufers hätten erregen müssen.


Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 03.04.2025 - 3 O 388/24
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Gesteigerte Sorgfaltspflicht: Alleinhaftung nach fahrlässigem Anfahren aus Busspur

"Nur mal kurz!" hört man oft von Autofahrern, wenn sie verbotenerweise in zweiter Reihe halten. Ob frische Brötchen der Grund waren, die den Beklagten reizten, "nur mal kurz" auf einer Busspur zu halten, bleibt offen. Klar ist, dass das Kammergericht Berlin (KG) die Folgen zu verhandeln hatte, nachdem der Busspurblockierer mit einem anderen motorisierten Verkehrsteilnehmer zusammenstieß, der "einfach nur" rechts abbiegen wollte.

"Nur mal kurz!" hört man oft von Autofahrern, wenn sie verbotenerweise in zweiter Reihe halten. Ob frische Brötchen der Grund waren, die den Beklagten reizten, "nur mal kurz" auf einer Busspur zu halten, bleibt offen. Klar ist, dass das Kammergericht Berlin (KG) die Folgen zu verhandeln hatte, nachdem der Busspurblockierer mit einem anderen motorisierten Verkehrsteilnehmer zusammenstieß, der "einfach nur" rechts abbiegen wollte.

Ein Autofahrer, der in zweiter Reihe auf einer Busspur stand, wollte wieder anfahren. Er schlug zu diesem Zweck die Vorderräder nach links ein und setzte an, loszufahren. In dem Moment querte ein anderer Autofahrer zulässigerweise die Busspur. Denn die Busspur wies exakt an der Stelle unterbrochene Linien auf, um ein Überfahren der Spur in die Rechtsabbiegerspur zu ermöglichen. Man ahnt es - es kam zur Kollision. Der querende Fahrer verlangte daraufhin vollen Schadensersatz, der andere Beteiligte hätte seiner Meinung nach erst gar nicht dort stehen dürfen und vor allem beim Anfahren eine gesteigerte Sorgfaltspflicht beachten müssen. Das sah der Busspurhalter naturgemäß völlig anders, in seinen Augen war ausschließlich der Spurwechsler schuld.

In erster Instanz wurde dem Kläger 1/3 des Schadens zugesprochen, in der Berufung hatte er mehr Erfolg. Das KG entschied nämlich, dass der Anfahrende allein haftet. Zwar sei es richtig, dass ein Anfahren nach einem Halten in zweiter Reihe nicht dazu führt, dass die gesteigerten Sorgfaltspflichten unmittelbar gelten. Die Situation sei aber mit dem Anfahren vom Fahrbahnrand vergleichbar. Das Halten auf einem Busstreifen in zweiter Reihe sei verboten. Zudem war erkennbar, dass das Überfahren der Spur an dieser Stelle zulässig war, um die Rechtsabbiegerspur zu erreichen. Daher ergab die Abwägung der Verschuldensbeiträge, dass der Anfahrende alleine haftet. Den anderen Beteiligten treffe keine Schuld, denn für ihn sei überhaupt nicht erkennbar gewesen, dass der andere aus dem Stand anfahren würde.

Hinweis: Es besteht eine gesteigerte Sorgfaltspflicht, die Absicht zum Einfahren in den fließenden Verkehr rechtzeitig (mindestens fünf Sekunden zuvor) anzuzeigen (selbst bei Geradeausfahrt im Fahrstreifen) und dessen Vorrang zu beachten. Für den Beklagten galt somit beim Einleiten des bevorstehenden Fahrstreifenwechsels durch Anfahren aus zweiter Reihe zusätzlich die Pflicht zur äußersten Sorgfalt und Beachtung des Vorrangs des fließenden Verkehrs (§ 7 Abs. 5 Straßenverkehrs-Ordnung).


Quelle: KG, Urt. v. 27.03.2025 - 22 U 29/24
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Gläubiger ausreichend geschützt: Keine Inventarfrist bei bereits eingereichtem Nachlassverzeichnis

Das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein notarielles Nachlassverzeichnis durch den Erben bereits erstellt und beim Nachlassgericht eingereicht worden war. Dennoch wurde dem Erben eine Frist zur Erstellung eines Inventars gesetzt. Zu Recht?

Das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein notarielles Nachlassverzeichnis durch den Erben bereits erstellt und beim Nachlassgericht eingereicht worden war. Dennoch wurde dem Erben eine Frist zur Erstellung eines Inventars gesetzt. Zu Recht?

Mit einer Inventarfrist kann ein Pflichtteilsberechtigter Druck auf den Erben ausüben, ein Nachlassverzeichnis zu errichten. Nach Ablauf dieser Frist kann der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten sogar mit seinem Privatvermögen haftbar gemacht werden. Hier hatte der Erbe ein notarielles Nachlassverzeichnis über seinen Anwalt beim Nachlassgericht bereits eingereicht - verbunden mit der Erklärung, dass es als Inventar im Sinne des Gesetzes gelten solle.

Sowohl das Nachlassgericht als auch das OLG waren der Ansicht, dass in einem Fall, in dem der Erbe bereits ein notarielles Nachlassverzeichnis hat erstellen und bei Gericht einreichen lassen, keine Notwendigkeit mehr bestehe, eine zusätzliche Frist zur Erstellung eines Inventars zu setzen. Der Nachlassgläubiger erhalte durch das bereits vorhandene Verzeichnis einen Überblick über den Bestand des Nachlasses und auch über mögliche Vollstreckungsgegenstände. Dadurch seien seine Rechte ausreichend gewahrt. Ein bereits eingereichtes, vollständiges notarielles Nachlassverzeichnis erfülle den gesetzlichen Zweck - völlig unabhängig davon, aus welchem Anlass es erstellt wurde.

Hinweis: Der Gläubiger wird zudem dadurch geschützt, dass der Erbe auch dann unbeschränkt mit seinem Privatvermögen haftet, wenn er absichtlich unvollständige oder unrichtige Angaben bei der Errichtung des Inventars gemacht hat. Auf Verlangen des Nachlassgläubigers kann der Erbe auch dazu verpflichtet sein, die Richtigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern.


Quelle: Saarländisches OLG, Beschl. v. 25.06.2025 - 5 W 33/25
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Hoffolgezeugnis gemäß Höfeordnung: Verpachtung bedeutet nicht automatisch Ende von landwirtschaftlichem Betrieb

Bei landwirtschaftlichen Betrieben gelten nach der sogenannten Höfeordnung für die Erbfolge unter Umständen Sonderregelungen. Ob ein solcher Umstand vorliegt, musste das Oberlandesgericht Celle (OLG) bewerten. Denn wenn ein verpachteter landwirtschaftlicher Betrieb seinen Hofstatus verliert, würden im Erbfall die allgemeinen erbrechtlichen Regelungen Anwendung finden.

Bei landwirtschaftlichen Betrieben gelten nach der sogenannten Höfeordnung für die Erbfolge unter Umständen Sonderregelungen. Ob ein solcher Umstand vorliegt, musste das Oberlandesgericht Celle (OLG) bewerten. Denn wenn ein verpachteter landwirtschaftlicher Betrieb seinen Hofstatus verliert, würden im Erbfall die allgemeinen erbrechtlichen Regelungen Anwendung finden.

Der Erblasser war zu Lebzeiten Landwirt und gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer eines großen landwirtschaftlichen Anwesens. Die Eheleute hatten die Flächen 1998 von den Eltern der Ehefrau als sogenannten "Ehegattenhof" übernommen. Seit der Erkrankung des Ehemanns im Jahr 2014 wurde der Hof größtenteils verpachtet; Ackerflächen wurden fremd bewirtschaftet, ein Teil der Waldfläche blieb in der Bewirtschaftung der Familie. In einem gemeinschaftlichen Testament aus dem Jahr 2019 hatten die beiden einen ihrer beiden gemeinsamen Söhne als Hofnacherben vorgesehen. Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Witwe ein sogenanntes Hoffolgezeugnis - einen Erbschein nach den Regelungen der Höfeordnung. Der weitere Sohn der Beteiligten war hingegen der Ansicht, dass es sich nicht mehr um einen Hof im Sinne der Höfeordnung handelte, da der landwirtschaftliche Betrieb schließlich seit über zehn Jahren vom Erblasser eingestellt sei.

Sowohl das Landgericht als auch das OLG stellten jedoch klar, dass allein eine Verpachtung nicht automatisch das Ende eines landwirtschaftlichen Betriebs bedeute. Entscheidend sei dabei vielmehr auf den Willen der Eheleute abzustellen, den landwirtschaftlichen Betrieb dauerhaft einstellen zu wollen. Hiergegen spreche in diesem Fall jedoch, dass die Eheleute noch im Jahr 2019 im gemeinschaftlichen Testament bestimmt hatten, dass einer der Söhne zum "Nacherben des Hofs" bestimmt werde. Dies spreche dafür, dass man von einer Fortführung des Betriebs ausgegangen sei. Nur wenn objektiv festgestellt werden könne, dass eine Wiederaufnahme der Landwirtschaft nicht mehr möglich wäre, könne von einem Wegfall der Hofeigenschaft gesprochen werden. Das Hoffolgezeugnis wurde der Witwe daher antragsgemäß erteilt.

Hinweis: Die Höfeordnung ist eine spezialgesetzliche Regelung des Erbrechts, die für landwirtschaftliche Betriebe in bestimmten Teilen Deutschlands gilt. Die Höfeordnung gilt unter anderem in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg.


Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2025 - 7 W 8/25
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Mutterschutz und Kündigungsverbot: Der gesetzliche Schutz gilt nur bei Einhaltung der terminlich korrekten Reihenfolge

Schwanger, nicht schwanger, schwanger? Frauen mit einem dringenden Kinderwunsch stehen oft vor vielen Herausforderungen, bevor sie Mütter werden können. Auch ihren Arbeitgebern gegenüber haben sie Dinge zu berücksichtigen, damit der gesetzliche Schutz werdender Mütter greift. Hier musste sich das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) damit beschäftigen, ab wann was gilt und wann die Schwangere über die Schwangerschaft informieren muss.

Schwanger, nicht schwanger, schwanger? Frauen mit einem dringenden Kinderwunsch stehen oft vor vielen Herausforderungen, bevor sie Mütter werden können. Auch ihren Arbeitgebern gegenüber haben sie Dinge zu berücksichtigen, damit der gesetzliche Schutz werdender Mütter greift. Hier musste sich das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) damit beschäftigen, ab wann was gilt und wann die Schwangere über die Schwangerschaft informieren muss.

Eine junge Frau arbeitete in einer Kleintierarztpraxis. Sie war seit 2019 dort angestellt und kündigte im Juli 2023 eine Schwangerschaft an. Kurz darauf erhielt sie eine Kündigung vom Arbeitgeber. Die Frau klagte dagegen an und meinte, dass die Kündigung wegen Mutterschutzes ungültig sei. Sie war der Ansicht, dass das Kündigungsverbot schon ab 280 Tagen vor dem errechneten Geburtstermin galt und sie den Arbeitgeber rechtzeitig informiert habe. Der Arbeitgeber widersprach und erklärte, er habe erst später von der Schwangerschaft erfahren. Denn die Frau hatte zwischenzeitlich erklärt, doch nicht schwanger zu sein. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die Frau legte Berufung ein, doch auch das LAG bestätigte die Entscheidung.

Das LAG erklärte, dass das Kündigungsverbot 280 Tage tatsächlich vor dem errechneten Geburtstermin beginne - so, wie es das Bundesarbeitsgericht festgelegt habe. Wichtig sei dabei jedoch, dass die Schwangere den Arbeitgeber über eine wirkliche, aktuelle Schwangerschaft informiere. Eine Mitteilung über eine frühere oder womöglich kurz bevorstehende Schwangerschaft reiche nicht aus. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber erst im September 2023 ein ärztliches Attest über die Schwangerschaft erhalten. Zu dem Zeitpunkt der Kündigung - zwei Monate zuvor - wusste er davon nichts. Auch die Nachrichten der Frau per WhatsApp im Juli 2023 an den Arbeitgeber über positive (und danach behauptet negative) Schwangerschaftstests waren nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend, da diese nicht die spätere Geburtsterminschwangerschaft betrafen. Daher war die Kündigung wirksam: Der Arbeitgeber hatte zum Kündigungszeitpunkt schlichtweg keinerlei Kenntnis von der relevanten Schwangerschaft. Zudem wurde die Kündigungsschutzklage seitens der Klägerin nicht rechtzeitig eingereicht.

Hinweis: Das Kündigungsverbot im Mutterschutz beginnt 280 Tage vor dem errechneten Geburtstermin. Der Arbeitgeber muss von der konkreten Schwangerschaft rechtzeitig und ebenso konkret erfahren haben, um im Kündigungsfall entsprechend belangt zu werden. Denn nur dann gilt der besondere Schutz vor Kündigung.


Quelle: LAG Köln, Urt. v. 17.04.2025 - 6 SLa 542/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Ohne Betriebsratsbeschluss: Einzelne Betriebsratsmitglieder dürfen personalisierte E-Mail-Adressen einfordern

Betriebsratsmitglieder arbeiteten ohne personalisierte E-Mail-Adressen. Erst das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) konnte final die Antwort auf die Frage liefern, ob der Anspruch der Betriebsratsmitglieder, dies zu ändern, auch ohne einen Beschluss des gesamten Betriebsrats durchsetzbar ist.

Betriebsratsmitglieder arbeiteten ohne personalisierte E-Mail-Adressen. Erst das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) konnte final die Antwort auf die Frage liefern, ob der Anspruch der Betriebsratsmitglieder, dies zu ändern, auch ohne einen Beschluss des gesamten Betriebsrats durchsetzbar ist.

Die Arbeitgeberin betreibt zahlreiche Supermärkte in Deutschland. Die Betriebsratsmitglieder konnten eine gemeinsame E-Mail-Adresse nutzen, die zur Unternehmensdomain gehörte. Individuelle E-Mail-Adressen, die auch Mails an und von externen Adressen ermöglichen, stellte die Arbeitgeberin nur einigen freigestellten Betriebsratsmitgliedern und anderen ausgewählten Mitarbeitern zur Verfügung. Die Antragsteller forderten als Mitglieder des Betriebsrats ebenfalls personalisierte E-Mail-Adressen, um ihre Arbeit besser erledigen zu können. Ein Beschluss des gesamten Betriebsrats lag dazu nicht vor, da die Antragsteller meinten, sie handelten eigenverantwortlich. Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück, weil nur der Betriebsrat als Gremium Ansprüche auf Sachmittel habe und die erweiterten E-Mail-Adressen nicht notwendig seien.

Das LAG änderte diese Entscheidung. Es stellte fest, dass einzelne Betriebsratsmitglieder durchaus eigene Rechte auf Sachmittel nach § 40 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz hätten, sofern diese für ihre Arbeit notwendig seien. Ein Beschluss des gesamten Betriebsrats sei nicht immer erforderlich, wenn einzelne Mitglieder eigenständig handelten. Die personalisierten E-Mail-Adressen, die auch eine Kommunikation außerhalb der Unternehmensdomain ermöglichen, seien in diesem Fall nötig, um die betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben wahrzunehmen. Die Idee, dass Ansprüche auf Sachmittel immer nur dem gesamten Betriebsrat zustünden, wies das LAG zurück. Es wäre nicht sinnvoll, wenn einzelne Mitglieder erst gegen den Betriebsrat klagen müssten, um einen positiven Beschluss zu erzwingen, bevor der Arbeitgeber die Sachmittel bereitstelle.

Hinweis: Betriebsratsmitglieder können also auch ohne entsprechenden Betriebsratsbeschluss eigene Ansprüche auf Arbeitsmittel haben - so auch auf E-Mail-Adressen, die auch den Kontakt außerhalb der Firma erlauben.


Quelle: LAG Niedersachsen, Beschl. v. 25.04.2025 - 17 TaBV 62/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Parklückenunfall: Haftungsverteilung nach Kollision zwischen Wendendem und Rückwärtsfahrendem

Die Parklücke ist in manchen Straßen des Landes ein gar seltenes und entsprechend begehrtes Kleinod für den motorisierten Verkehrsteilnehmer, vor allem in Städten wie Hamburg. Eine solche Parklücke stand zuerst im Fokus zweier Autofahrer, bevor sie in den Mittelpunkt einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg (LG) rückte. Die Frage war wie so oft: Wer haftet für den Schaden, und in welcher Höhe?

Die Parklücke ist in manchen Straßen des Landes ein gar seltenes und entsprechend begehrtes Kleinod für den motorisierten Verkehrsteilnehmer, vor allem in Städten wie Hamburg. Eine solche Parklücke stand zuerst im Fokus zweier Autofahrer, bevor sie in den Mittelpunkt einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg (LG) rückte. Die Frage war wie so oft: Wer haftet für den Schaden, und in welcher Höhe?

Es gibt Tage, an denen hat man kein Glück, und dann kommt auch noch Pech hinzu. So in etwa trafen eine Einparkende und ein Wendender zusammen, jeweils in ihren Fahrzeugen. Die Frau wollte gerade rückwärts in eine Parklücke einparken, als zeitgleich der Mann in seinem Pkw auf der Gegenfahrbahn wendete und ebenfalls in die Lücke einfuhr. Dass beide Verkehrsteilnehmer dieses Zusammentreffen als nicht erfreulich betrachtet haben, war klar. Dennoch kam es zu einem zweimaligen Wiedersehen - final vor dem LG, das über die Schadensersatzforderungen der beiden Beteiligten entscheiden musste.

Die erste Instanz legte noch paritätisch eine Haftungsquote von 50 : 50 fest. Damit war die Frau nicht einverstanden und legte Berufung ein. Das LG teilte ihre Ansicht und befand, dass eine Haftungsquote von 70 : 30 zu Lasten des Mannes angemessen sei. Als Wendender habe er nämlich sehen müssen, dass vor ihm ein Einparkmanöver stattfindet. Daher hätte sogar eine Alleinhaftung in Frage kommen können, da das Wendemanöver schlussendlich zur Kollision geführt habe. Es war aber zu berücksichtigen, dass die andere Beteiligte rückwärts fuhr und daher eine gesteigerte Sorgfaltspflicht hatte. Bei einem derartigen Einparkmanöver müsse nicht nur der unmittelbar hinter dem Rückwärtsfahrenden liegende Verkehrsraum beobachtet werden, sondern auch der seitlich liegende. Das habe die andere Beteiligte hier versäumt. Daher sei ihr ein Mitverschulden von 30 % anzurechnen.

Hinweis: Das Gericht stellte klar, dass die Pflicht zur Rückschau beim Rückwärtsfahren nicht mit einem einmaligen Blick in den Rückspiegel getan ist. Vielmehr wird eine ständige Beobachtung des Bereichs hinter dem Fahrzeug während des gesamten Rückwärtsfahrvorgangs gefordert. Dies dient dazu, auch Verkehrsteilnehmer zu bemerken, die sich erst während des Einparkmanövers nähern. Das Gericht betonte, dass man sich vergewissern müsse, dass der Gefahrraum hinter dem Fahrzeug frei ist und auch frei bleibt.
 
 


Quelle: LG Hamburg, Urt. v. 19.12.2024 - 323 S 22/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Rechtlich unwirksam: Kein Verzicht auf Urlaub durch gerichtlichen Vergleich

Nicht genommene Urlaubstage sind nach Kündigungen oft Thema vor den Arbeitsgerichten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befasste sich mit der Frage, ob ein Arbeitnehmer quasi vorab mit einem Vergleich auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichten kann oder dieser erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden darf.

Nicht genommene Urlaubstage sind nach Kündigungen oft Thema vor den Arbeitsgerichten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befasste sich mit der Frage, ob ein Arbeitnehmer quasi vorab mit einem Vergleich auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichten kann oder dieser erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden darf.

Der Kläger war von 2019 bis April 2023 als Betriebsleiter beschäftigt. Im Jahr 2023 war er durchgehend krankgeschrieben und konnte daher auch seinen Urlaub nicht in Anspruch nehmen. Im März 2023 einigten sich Kläger und Arbeitgeber vor Gericht auf einen Vergleich. Darin wurde das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2023 gegen Zahlung einer Abfindung beendet. In dem Vergleich stand, die Urlaubsansprüche seien "in natura gewährt". Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte zuvor darauf hingewiesen, dass der gesetzliche Mindesturlaub gar nicht wirksam ausgeschlossen werden könne, stimmte dem Vergleich aber trotzdem zu. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses verlangte der ehemalige Betriebsleiter, wie durch seine Anwältin bereits angedeutet, vom Arbeitgeber die Auszahlung von sieben Urlaubstagen aus dem Jahr 2023.

Sowohl die Vorinstanzen als auch das BAG gaben ihm Recht und wiesen die Revision des Arbeitgebers zurück. Das Gericht entschied, dass der Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub nicht durch den Vergleich weggefallen war. Ein Verzicht darauf sei rechtlich unwirksam. Auch wenn der Urlaub wegen Krankheit nicht genommen werden konnte, darf der gesetzliche Mindesturlaub weder vorab ausgeschlossen noch durch eine Zahlung ersetzt werden. Das gilt selbst dann, wenn bei Abschluss des Vergleichs schon klar war, dass der Urlaub gar nicht mehr genommen werden könne. Das BAG bestätigte, dass der gesetzliche Mindesturlaub geschützt ist und nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden darf. Ein "Verzicht" auf diesen Urlaub zu Prozesszeiten ist nicht möglich. Der Teil des Vergleichs, der das anders regeln wollte, war daher nicht gültig. Der Einwand des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer dürfe sich nicht auf die Unwirksamkeit berufen, wurde zurückgewiesen, weil eine offensichtlich unzulässige Regelung schlichtweg nicht gelten kann.

Hinweis: Der gesetzliche Mindesturlaub ist ein besonders geschütztes Recht. Selbst bei Krankheit und Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann man nicht einfach darauf verzichten. Urlaub muss entweder genommen oder am Ende ausbezahlt werden. 
 
 


Quelle: BAG, Urt. v. 03.06.2025 - 9 AZR 104/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Schallemissionen in WEG? Rein gemutmaßte Folgen können Einbau von Klimaanlage nicht verhindern

In diesem Fall geht es um die unterschiedlichen Belange von Eigentümern innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und um deren Beschlüsse. Erst der Bundesgerichtshof (BGH) konnte dabei die Frage klären, wann Beeinträchtigungen durch eine Klimaanlage in einer Eigentumswohnung vorliegen und entsprechend dagegen geklagt werden darf.

In diesem Fall geht es um die unterschiedlichen Belange von Eigentümern innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und um deren Beschlüsse. Erst der Bundesgerichtshof (BGH) konnte dabei die Frage klären, wann Beeinträchtigungen durch eine Klimaanlage in einer Eigentumswohnung vorliegen und entsprechend dagegen geklagt werden darf.

Im Streitfall ging es um eine Eigentümerin, die gegen einen Beschluss ihrer WEG klagte. Der Beschluss erlaubte einem anderen Eigentümer, auf dem Dachgeschoss eines Hauses eine Klimaanlage anzubringen. Die Anlage sollte auf speziellen Dämpfern montiert werden, damit keine Erschütterungen übertragen werden. Die Klägerin befürchtete jedoch, dass durch einen tieffrequenten Schall die Ruhe in ihrer Wohnung gestört werde.

Die Vorinstanzen hatten ihre Klage abgelehnt, ebenso der BGH. Das Gericht erklärte, dass bei baulichen Veränderungen wie dem Einbau einer Klimaanlage zunächst nur die direkten Folgen der Veränderung selbst beurteilt werden können - nicht aber die späteren Auswirkungen durch deren Nutzung, zum Beispiel durch entstehenden tieffrequenten Schall. Eine Prognose, ob und wie stark solche Schallemissionen auftreten, sei wissenschaftlich nicht sicher vorhersagbar. Deshalb sei auch kein Sachverständigengutachten erforderlich gewesen. Sollte die Klimaanlage nach der Montage wirklich störenden Schall verursachen, habe die Klägerin das Recht, gegen diese Beeinträchtigung vorzugehen. Die WEG müsse zudem nicht vorab weitere Informationen einholen, wenn die Beeinträchtigung nicht schon vorher offensichtlich und unzumutbar ist. Außerdem schließe ein solcher Beschluss zum Einbau der Klimaanlage Ansprüche der anderen Eigentümer wegen möglicher Störungen nach der Installation nicht aus. Die Nutzung der Klimaanlage könne durch die Gemeinschaft später auch noch durch Hausordnungsregeln eingeschränkt werden.

Hinweis: Beeinträchtigungen durch technische Anlagen in Wohnungen können oft erst nach der tatsächlichen Nutzung beurteilt werden. Eigentümer sollten in solchen Fällen geduldig abwarten und gegebenenfalls später ihr Recht auf Schutz vor Störungen geltend machen. Ein Einbaubeschluss heißt nicht, dass der Betrieb uneingeschränkt erlaubt ist.


Quelle: BGH, Urt. v. 28.03.2025 - V ZR 105/24
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Umgangsrecht: Sachverständige haften nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit

Bei Scheidungen entbrennen bei der Regelung des Umgangsrechts oft regelrechte Schlammschlachten. Wird dafür ein Sachverständiger hinzugezogen und macht dieser in seinem Gutachten Fehler, kann dies zur Haftung des Sachverständigen führen, wenn ihm die Fehler nachgewiesen werden können. Eine solche Bewertung musste das Landgericht Saarbrücken (LG) treffen.

Bei Scheidungen entbrennen bei der Regelung des Umgangsrechts oft regelrechte Schlammschlachten. Wird dafür ein Sachverständiger hinzugezogen und macht dieser in seinem Gutachten Fehler, kann dies zur Haftung des Sachverständigen führen, wenn ihm die Fehler nachgewiesen werden können. Eine solche Bewertung musste das Landgericht Saarbrücken (LG) treffen.

In einem Verfahren sollte ein Sachverständiger in einem Gutachten die Frage beantworten, wie das Umgangsrecht des Vaters mit den beiden gemeinsamen Kindern in Zukunft stattfinden solle. Das Familiengericht bat zur Vorbereitung einer Sitzung darum, das bisherige Ergebnis der Begutachtung vorab schriftlich zusammenzufassen. Dies tat der Gutachter und schilderte in einer Sachstandsmitteilung, dass aufgrund der vorliegenden Datenlage nicht abgeschätzt werden könne, ob und welche Art von psychischem Krankheitsgeschehen bei der Mutter vorliege. Es gäbe aber Hinweise auf eine kindeswohlgefährdende Lebenssituation durch einen möglichen erweiterten Suizid durch die Mutter. Ebenso sprach die Mutter von erlebter häuslicher Gewalt. Der Gutachter konnte diese Angaben aber nicht verifizieren. In der Folge wurde beiden Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder entzogen und der Mutter sogar die Kontaktaufnahme verboten. Schlussendlich leben die Kinder nun beim Vater, nachdem sich Vater und Mutter hierauf einigten. Die Mutter verklagte den Gutachter dennoch auf Schadensersatz von ca. 15.600 EUR für ihr entstandene Sachverständigenkosten und auf ein angemessenes Schmerzensgeld von 75.000 EUR. Sie scheiterte damit aber vor dem LG.

Denn die Eltern führten eine Einigung über den Verbleib der Kinder herbei, noch bevor ein abschließendes Gutachten getroffen wurde. Zudem ließ sich nicht feststellen, dass der Gutachter vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstellt hatte. Er hatte nur dargestellt, dass er keine Diagnose stellen und nichts ausschließen kann. Der Gutachter hat seine Einschätzung auf normalerweise verlässliche Kontaktpersonen gestützt. Eine grob fahrlässige Begutachtung scheidet daher aus. Der Mutter standen keine Ersatzansprüche zu.

Hinweis: Gerichtsgutachter können haften, aber nur, wenn sie fehlerhaft handeln. Möchten Sie Ansprüche gegen die Gutachter gelten machen, sind diese Fehler zu benennen und zu belegen.


Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 05.06.2025 - 9 O 229/22
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Vater muss zahlen: Angemessenheit von Bestattungskosten eines Teenagers auch von emotionalen Faktoren abhängig

Dass der Tod junger Menschen das enge Umfeld meist noch heftiger trifft, als es der Verlust nahestehender Personen allgemeinhin bereits tut, ist nachvollziehbar. Welche Kosten für die Beerdigung dabei angemessen sind, war Gegenstand der folgenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg (OLG). Hier stritt sich ein getrenntes Paar als gesetzliche Miterben über die angemessene Höhe der Beerdigungskosten ihres Sohns.

Dass der Tod junger Menschen das enge Umfeld meist noch heftiger trifft, als es der Verlust nahestehender Personen allgemeinhin bereits tut, ist nachvollziehbar. Welche Kosten für die Beerdigung dabei angemessen sind, war Gegenstand der folgenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg (OLG). Hier stritt sich ein getrenntes Paar als gesetzliche Miterben über die angemessene Höhe der Beerdigungskosten ihres Sohns.

Der Teenager verstarb im Alter von 16 Jahren infolge eines Verkehrsunfalls. Die Mutter organisierte die Beerdigung allein und entschied sich für eine Naturbestattung in einem Friedwald. Die hierfür entstehenden Kosten beliefen sich auf ca. 16.000 EUR. Der Vater zahlte zunächst 3.500 EUR, weigerte sich aber, sich an weiteren Kosten zu beteiligen. Die Kosten für die Beerdigung seien unangemessen hoch. Das Landgericht verurteilte den Vater des Verstorbenen zur Beteiligung an den Bestattungskosten in hälftiger Höhe. Hiergegen legte der Vater Berufung ein.

Das OLG erteilte dem Vater daraufhin einen Hinweisbeschluss, dass seine Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe, und begründete seinen Hinweis damit, dass Erben für die Bestattungskosten haftbar sind. Beide Eltern haften als gesetzliche Miterben ihres Sohns und müssen die notwendigen und angemessenen Kosten einer Beerdigung tragen. Die Angemessenheit orientiert sich zunächst an der Lebensstellung des Verstorbenen. Da der Sohn erst 16 Jahre alt war und noch keine eigene Lebensstellung erreicht hatte, orientierte sich die Angemessenheit der Kosten an der Lebensstellung der Eltern. Aufgrund des gezahlten Kindesunterhalts des Vaters konnte auf ein überdurchschnittliches Einkommen zurückgegriffen werden. Besonders betonte das Gericht aber auch die Unterschiede zu Bestattungskosten Erwachsener. Bei dem Tod von Jugendlichen sei die Trauer der Angehörigen oft intensiver, und die symbolische Bedeutung der Grabstätte müsse besondere Berücksichtigung finden. Emotionale Faktoren wie ein Baum zum "In-den-Arm-Nehmen" seien daher durchaus angemessen, auch wenn sie insgesamt teurer seien.

Hinweis: Geht es um die Frage der Übernahme von Bestattungskosten, müssen die Verantwortlichen nicht zwingend die günstigste Lösung wählen, solange die Kosten angemessen und nachvollziehbar sind.


Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.05.2025 - 3 U 4/25
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Verweigerte Auskunftserteilung: Wertermittlung kann nicht durch Pflichtteilsberechtigten ersetzt werden

Was passiert, wenn der Erbe gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten durch eine gerichtliche Entscheidung zur Auskunft verpflichtet wird, dieser aber nicht nachkommt, zeigt der Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG). Das OLG musste auf Antrag einer Pflichtteilsberechtigten prüfen, ob und wie sie hier stattdessen selbst tätig werden kann.

Was passiert, wenn der Erbe gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten durch eine gerichtliche Entscheidung zur Auskunft verpflichtet wird, dieser aber nicht nachkommt, zeigt der Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG). Das OLG musste auf Antrag einer Pflichtteilsberechtigten prüfen, ob und wie sie hier stattdessen selbst tätig werden kann.

Nach dem Tod der Erblasserin machte die Tochter Pflichtteilsansprüche gegenüber ihrem Vater geltend. Der Vater wurde schließlich auch aufgrund eines Versäumnisurteils zur Auskunftserteilung und Wertermittlung verurteilt und unter anderem dazu verpflichtet, den Wert von zwei Grundstücken durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens ermitteln zu lassen. Dieser Verpflichtung kam der Erbe aber nicht nach. Die Tochter beantragte daraufhin bei Gericht im Wege der Zwangsvollstreckung, selbst einen Gutachter beauftragen zu dürfen. Der Vater sollte zudem dazu verpflichtet werden, Zugang zu den Grundstücken zum Zweck der Wertermittlung zu dulden.

Sowohl das Landgericht als auch das OLG haben diesen Antrag jedoch zurückgewiesen. Kern der Auseinandersetzung war die Frage, ob es der Tochter möglich sei, eine sogenannte vertretbare Handlung notfalls selbst durch eine Ersatzvornahme durchführen zu lassen, wenn der Schuldner untätig bleibt. Das OLG stellte klar, dass die Wertermittlung einer Immobilie im Pflichtteilsrecht keine solche vertretbare Handlung im Sinne der gesetzlichen Regelung ist. Für die Wertermittlung sei es erforderlich, dass der Erbe selbst aktiv mitwirkt. Er muss Informationen liefern, Zugang gewähren und Dokumente zum Zustand der Immobilie beschaffen. Diese Angaben kann nur er selbst gegenüber einem Gutachter machen, weshalb diese Mitwirkung nicht ohne weiteres ersetzt werden könne. Der pflichtteilsberechtigten Gläubigerin bliebe in diesen Fällen daher nur die Möglichkeit, eine Zwangsvollstreckung einer nicht vertretbaren Handlung durchzuführen. Als Mittel der Wahl stünden ihr die Beantragung von Zwangsgeldern und - für den Fall, dass diese nicht beigetrieben werden können - ein Antrag auf Zwangshaft zur Verfügung.

Hinweis: Nur ausnahmsweise wurde bei einem Wertermittlungsanspruch eine Vollstreckung im Wege einer Ersatzvornahme anerkannt. In einem Einzelfall konnte die Gutachtenvorlage von einem Dritten erfüllt werden, weil alle notwendigen Informationen für die Erstellung des Gutachtens bekannt waren und es lediglich einer Beauftragung eines Gutachters sowie der Bezahlung des Gutachters bedurfte.


Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 04.06.2025 - 10 W 84/25
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

"Mussbeteiligte": Wer Pflichten auferlegt bekommt, muss am Umgangsverfahren beteiligt werden

Wenn das Umgangsrecht von Kindern gerichtlich geregelt werden soll, sind alle Beteiligten anzuhören. Und mit "alle" sind auch alle gemeint. Sind etwa zwei Personen betroffen, dann reicht es nicht, wenn nur eine am Verfahren beteiligt wird. Denn dass sonst das, was beschlossen wird, keinerlei Gültigkeit besitzt, zeigt dieser Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).

Wenn das Umgangsrecht von Kindern gerichtlich geregelt werden soll, sind alle Beteiligten anzuhören. Und mit "alle" sind auch alle gemeint. Sind etwa zwei Personen betroffen, dann reicht es nicht, wenn nur eine am Verfahren beteiligt wird. Denn dass sonst das, was beschlossen wird, keinerlei Gültigkeit besitzt, zeigt dieser Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).

Nachdem die Eltern sich getrennt hatten, lebten die Kinder (zehn und zwölf Jahre alt) erst bei der Mutter, dann beim Vater. Als der Vater jedoch später inhaftiert wurde, kam das ältere Kind zum Urgroßvater und das jüngere zu den Großeltern mütterlicherseits. Die Großeltern beantragten am 07.05.2024 die Übertragung der Vormundschaft für beide Kinder auf sich. Im Umgangsverfahren wurden die Großmutter und der Urgroßvater als Beteiligte angehört - der Großvater jedoch nicht. Mit Beschluss, der der Großmutter am 18.01.2025 zugestellt wurde, wurde daraufhin geregelt, dass der Vater den älteren Sohn jeden zweiten, den jüngeren jeden dritten Samstag im Monat sehen dürfe. Beide Großeltern wurden verpflichtet, die beiden Kinder jeweils zum Übergabetreffpunkt zu bringen und dort wieder abzuholen. Die Großeltern legten Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Die Regelung sei ihnen finanziell und logistisch unzumutbar.

Das OLG verwies die Sache zur nochmaligen Entscheidung an die Vorinstanz zurück, denn der Großvater hätte am Verfahren beteiligt werden müssen. Die Sache wurde daher fehlerhaft entschieden. Pflegepersonen des Kindes sind regelmäßig Mussbeteiligte, wenn das Familiengericht ihnen im Rahmen einer Umgangsregelung Pflichten auferlegen will. Hier wurde der Großvater schließlich mit den Pflichten "Bringen und Abholen" belastet. Die unterlassene Beteiligung des Großvaters sei zudem ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Das Gericht sei hier ohne weitere Sachprüfung einfach davon ausgegangen, dass der Großvater allen Pflichten Folge leisten könne und werde.

Hinweis: Wenn das Gericht Pflichten auferlegen will, muss sichergestellt sein, dass der Verpflichtete diese auch erfüllen kann. Das muss das Gericht ermitteln - tut es das nicht, kann und sollte Beschwerde gegen die Entscheidung einlegt werden.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 04.03.2025 - 6 UF 27/25
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Elternunterhalt: Sozialhilfeträger erstreitet vor dem BGH Rückzahlung von Pflegekosten

Werden Eltern bedürftig, schulden ihnen die Kinder Unterhalt. Trotzdem können die Eltern auch staatliche Hilfen beziehen. Springen Sozialhilfeträger ein, gehen die Unterhaltsansprüche gegen die Kinder auf den Staat über - außer, das unterhaltspflichtige Kind hat ein Jahreseinkommen von maximal 100.000 EUR. Ein Sohn, dessen Einkommen knapp darüber lag, zog dagegen bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).

Werden Eltern bedürftig, schulden ihnen die Kinder Unterhalt. Trotzdem können die Eltern auch staatliche Hilfen beziehen. Springen Sozialhilfeträger ein, gehen die Unterhaltsansprüche gegen die Kinder auf den Staat über - außer, das unterhaltspflichtige Kind hat ein Jahreseinkommen von maximal 100.000 EUR. Ein Sohn, dessen Einkommen knapp darüber lag, zog dagegen bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).

Eine 1937 geborene Mutter bezog in der Zeit von Januar bis Dezember 2020 Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch von insgesamt rd. 7.000 EUR. Der Träger verlangte diesen Betrag vom Sohn der Mutter. Der Sohn verdiente im Jahr rund 118.000 EUR, also monatlich rund 5.800 EUR netto. Seine Ehefrau verdiente ebenfalls so viel. Mit der Tochter lebte man im abbezahlten und unbelasteten Einfamilienhaus. Die zwei anderen Kinder der Mutter wurden nicht auf Unterhalt in Anspruch genommen. Der Sozialhilfeträger klagte gegen den Sohn. Vor dem Amtsgericht bekam dieser noch Recht, vor dem Oberlandesgericht verhielt es sich umgekehrt, dieses entschied für den Träger. Und vor dem BGH?

Auch vor dem BGH gewann der Sozialhilfeträger. Daran ändert auch das am 01.01.2020 inkraftgetretene Angehörigen-Entlastungsgesetz nichts. Danach darf kein Rückgriff mehr bei Kindern genommen werden, die lediglich ein Jahreseinkommen bis zu 100.000 EUR haben. Dieser Ausschluss bedeute aber nicht, dass die Kinder zivilrechtlich nicht unterhaltsverpflichtet wären. Nur der Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Sozialhilfeträger wird ausgeschlossen, nicht aber der Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihr Kind. Daran gemessen konnte der Sohn zur Rückzahlung herangezogen werden, und der muss nun 6.200 EUR an den Sozialhilfeträger bezahlen.

Hinweis: Kinder, die über 100.000 EUR Jahreseinkommen haben, sind also bei dem Rückgriff durch die Sozialhilfeträger besonders "gefährdet". Sie sollten verstärkt darauf achten, dass bei der Berechnung des Rückgriffs ihr angemessener Selbstbehalt korrekt berechnet wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass sie im Endeffekt nicht zu viel bezahlen.


Quelle: BGH, Beschl. v. 07.05.2025 - XII ZB 563/24
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Gütertrennung: Zugewinnausschluss in Unternehmerehe ist möglich

Ein Ehevertrag ist keine Seltenheit mehr, um im Scheidungsfall einen eventuellen Zugewinn zu schützen. Dieser Schutz steht Eheleuten auch in Unternehmerehen zu. Denn hier geht es oft um den Bestand des gesamten Unternehmens, dem manches Mal sonst eine Zerschlagung drohen könnte. Ob der Zugewinnausgleich im folgenden Fall allerdings wirksam ausgeschlossen worden war, konnte erst der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.

Ein Ehevertrag ist keine Seltenheit mehr, um im Scheidungsfall einen eventuellen Zugewinn zu schützen. Dieser Schutz steht Eheleuten auch in Unternehmerehen zu. Denn hier geht es oft um den Bestand des gesamten Unternehmens, dem manches Mal sonst eine Zerschlagung drohen könnte. Ob der Zugewinnausgleich im folgenden Fall allerdings wirksam ausgeschlossen worden war, konnte erst der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.

Eine Unternehmensberaterin und ein Gesellschafter von verschiedenen Unternehmen seiner Familie heirateten. Sie vereinbarten Gütertrennung unter Ausschluss des Zugewinnausgleichs sowie des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts. Dabei orientierten sie sich an den Gesellschaftsverträgen. Nach zehn Jahren Ehe und drei Kindern ließen sich die Eheleute scheiden. Die Frau war abgesichert, denn ab einer Dauer von vier Ehejahren stand ihr eine monatliche Versorgung von 5.000 EUR zu, der Zugewinnausgleich war wirksam ausgeschlossen worden. Dennoch machte sie im Scheidungsprozess einen Zugewinnausgleichsanspruch geltend. Der Ausschluss im Ehevertrag sei unwirksam, da er einseitig zu ihren Lasten ginge und damit sittenwidrig sei. Damit drang sie vor dem BGH aber nicht durch.

Unternehmerische Interessen können legitime Beweggründe für eine Gütertrennung sein. Insbesondere bei sogenannten Unternehmerehen kommt dem Vermögensschutz ein hoher Stellenwert zu. Auch hat sich die Frau bei Vertragsschluss nicht in einer schwächeren Position befunden; sie war bereits studierte Betriebswirtin und konnte die finanzielle Tragweite des Ausschlusses also überblicken. Sie wurde bei Vertragsschluss - salopp gesagt - nicht über den Tisch gezogen. Sie war bei den Vertragsverhandlungen sogar anwaltlich vertreten worden. Der Ausschluss des Zugewinns war in Augen des BGH also wirksam erfolgt.

Hinweis: In Unternehmerehen kann der Zugewinnausgleich wirksam ausgeschlossen werden. Das unterliegt der Vertragsfreiheit. Es darf dabei aber keine Zwangslage oder Schwäche ausgenutzt werden, was den Ausschluss sittenwidrig machen würde. 
 
 


Quelle: BGH, Beschl. v. 28.05.2025 - XII ZB 395/24
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)

Prozesskostenhilfe: Kein Vaterschaftsfeststellungsverfahren ohne Anwalt

Auch finanziell schwache Familien oder Personen müssen ihr Recht gerichtlich durchsetzen können. Dafür können sie Prozesskostenhilfe (im Familienrecht: Verfahrenskostenhilfe - VKH) beantragen, und ein Rechtsbeistand kann beigeordnet werden - sofern es die Sach- und Rechtslage erfordern. Ob eine Vaterschaftsfeststellung ein solches Erfordernis darstellt, musste das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) klären.

Auch finanziell schwache Familien oder Personen müssen ihr Recht gerichtlich durchsetzen können. Dafür können sie Prozesskostenhilfe (im Familienrecht: Verfahrenskostenhilfe - VKH) beantragen, und ein Rechtsbeistand kann beigeordnet werden - sofern es die Sach- und Rechtslage erfordern. Ob eine Vaterschaftsfeststellung ein solches Erfordernis darstellt, musste das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) klären.

Ein minderjähriges Kind wurde vor Gericht durch das Jugendamt als Beistand vertreten. Das Jugendamt hat seinerseits einem Antrag auf Feststellung der Vaterschaft eines Mannes eingereicht. Dieser habe in der sogenannten "gesetzlichen Empfängniszeit" mit der Mutter des Kindes geschlechtlich verkehrt. Der Mann gab jedoch an, im Empfängniszeitraum nicht mit der Mutter verkehrt und zuvor im Iran eine Vasektomie durchgeführt zu haben. Die Mutter hatte noch einen weiteren Sexpartner, dieser ließ sich aber nicht ermitteln. Die Mutter beantragte die Bewilligung von VKH unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für sich. VKH erhielt sie zwar, einen Anwalt jedoch nicht. Die Sache sei für sie schließlich einfach, die Mutterschaft stehe ja fest. Eine Beiordnung sei also nicht erforderlich. Die Mutter legte Beschwerde ein.

Das OLG legte dar, dass ein Anwalt dann auf Antrag beigeordnet wird, wenn wegen schwieriger Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Ob das der Fall ist, bestimmt sich auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten. Bei einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren sei hingegen für alle Beteiligten regelmäßig eine Anwaltsbeiordnung geboten. Es können schließlich auch Zwangsmaßnahmen gegen den Kindsvater notwendig werden - etwa, um eine Anwesenheit im Termin zur Erörterung vor Gericht zu gewährleisten und eine Abstammungsuntersuchung durchzusetzen. Und all dies kann durchaus für eine schwierige Sach- und Rechtslage sorgen. Daher wurde der Mutter in diesem Fall durch das OLG auch ein Anwalt beigeordnet.

Hinweis: Im Vaterschaftsanerkennungsverfahren kann also von einer besonderen Schwierigkeit ausgegangen werden. Damit ist die Beiordnung eines Anwalts unproblematisch. Nutzen Sie die Beiordnung bei Bedürftigkeit, damit Sie angemessen vertreten sind.


Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 23.06.2025 - 12 WF 31/25
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 08/2025)